Der Corona-Shutdown und die Natur

In den Medien liest man derzeit vermehrt, dass der Corona-Shutdown sehr positive Auswirkungen auf die Flora und Fauna habe: Die Natur bekomme endlich eine Atempause, Kröten hätten aufgrund des reduzierten Autoverkehrs bessere Überlebenschancen, Küstenvögel würden die Strände zurückerobern. Jedoch warnen auch einige Experten im Norden: Da Spaziergänge gegenwärtig die einzige Erholungsmöglichkeit seien, könne es gerade in den Naturschutzgebieten zu einer Beeinträchtigung der Tier- und Pflanzenwelt kommen.

Wir haben mit Matthias Braun, Vorsitzender des Landschaftspflegevereins Dummersdorfer e.V. (LPV), über die aktuelle Situation gesprochen und u.a. erfahren, wie man sich am besten in der Natur verhält. 

Herr Braun, sind bereits erste Auswirkungen des Corona-Shutdowns auf die Tierwelt zu beobachten?

M.B.: Nein, anders als in den Medien dargestellt, haben wir noch keine solche Auswirkungen wahrnehmen können. Was wir allerdings sehen, ist – auch aufgrund des schönen Wetters – eine erhöhte Besucherzahl am Dummersdorfer Ufer. Dies ist aufgrund der derzeitigen Pandemie-bedingten Lebenssituation unserer Mitbürger sehr verständlich. Inwieweit sich dies negativ auf die dortige Tierwelt auswirkt, können wir nicht absehen. Dies hängt auch entscheidend davon ab, inwieweit die Hundehalter die Leinenpflicht beachten. Gefährdet sind um diese Jahreszeit insbesondere die Zauneidechsen, die nach ihrem Winterschlaf die erste Frühjahrssonne zum Aufwärmen nutzen.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit und Ihren Verein, den LPV?

M.B.: Aufgrund der verordneten Corona-Regeln mussten wir am Dummersdorfer Ufer leider alle verabredeten Lammführungen für die Lübecker Kindergärten absagen. Dies ist sehr bedauerlich, weil somit ein ganzer Lübecker Kindergartenjahrgang nicht die Chance auf dieses einmalige Erlebnis hat, mal in direkten Kontakt mit den kleinen Lämmern zu kommen. Das kann keine Digitalstrategie der ganzen Welt ersetzen. Auch auf dem Priwall mussten wir alle Führungen an die „Kinderstube der Wiesenvögel“ absagen. Das hat nicht zuletzt leider auch finanzielle Einnahmeverluste zur Folge.

Die hiesigen Strände sind im Moment deutlich weniger frequentiert als sonst bei diesem Wetter. Wie ist Ihre Beobachtung – gibt es spezifische Vogelarten, die sich das zunutze machen und wieder am Strand brüten?

M.B.: Die Brutzeit der Küstenvögel beginnt an unseren Küsten ab der zweiten Maiwoche. Entscheidend würde sein, was dann dort los ist. Es ist jedoch auszuschließen, dass sich etwa am Travemünder Kurstrand spontan Küstenvögel wie Seeschwalben, Austernfischer oder Sandregenpfeifer ansiedeln. Einerseits sind diese Vogelarten inzwischen so extrem selten geworden, dass da einfach die Bestände fehlen und andererseits genügen auch relativ wenige Spaziergänger mit und ohne Hundebegleitung, um diese störungsempfindlichen Arten zu vertreiben. Der dringend notwendige Wiederaufbau der Küstenvogelpopulationen muss aus den Küsten-Naturschutzgebieten kommen, hier ist ein Betreten zur Brutzeit ohnehin nicht erlaubt.

Wie ist der Stand bei der ursprünglich für Pfingsten geplanten Dauerausstellung „Fluss- und Zwergseeschwalbe am südlichen Priwall“? Gibt es spezielle, aus der Krise erwachsene Projekte, an denen Sie nun arbeiten?

M.B.: Wir gehen im Moment noch davon aus, dass unsere Dauerausstellung im Juni 2020 fertiggestellt sein wird. Wann wir eröffnen können, steht in den Sternen. Aufgrund der Absage aller öffentlichen Veranstaltungen und sonstiger Termine können wir uns jetzt Dingen widmen, zu denen sonst immer wieder die Zeit fehlte. Hierzu zählt die Vorbereitung des Projektantrages eines großen Naturschutzprojektes des Bundesumweltministeriums für den „Hotspot der Biologischen Vielfalt Westmecklenburgische Ostseeküste und Lübecker Becken“ mit zahlreichen Partnern von der Wismarer Bucht bis zur Travemündung.

Generell können wir allen Naturfreunden nur empfehlen, das schöne Wetter zu nutzen, um direkt nach draußen in die Natur zu kommen – natürlich unter Berücksichtigung der allgemeinen Regeln insbesondere in der laufenden Brut- und Setzzeit (also Hunde bitte anleinen, keine vermeintlich verlassenen Jungtiere mitnehmen, Müll wieder mit nach Hause nehmen und Einhaltung der Pandemie-bedingten Abstandsregeln). Dies ist die beste Kur gegen den derzeitigen Kontaktsperrenfrust. Am Bildschirm sitzen wir in diesen Tagen alle schon genug.

Vielen Dank für das Interview!