Viel mehr als nur ein Boxclub

Vorsitzender, Cheftrainer, Integrationslotse, Vaterfigur – Tolga Tanriverdi ist beim Boxclub Lübeck e.V. der Mann für alles und ein echtes Multitalent. Der 39-Jährige hat den Sportverein stetig weiterentwickelt und für einen großen Ansturm gesorgt. Und: Er hat weitere große Pläne…

„Ich bin mit 20 Jahren vom Judo zum Boxen gekommen“, erzählt Tanriverdi. „Mein bester Freund und ich waren damals riesige Mike Tyson Fans und haben uns ab und zu im Schattenboxen versucht.“ Heute, fast zwei Jahrzehnte später, hat sich Tanriverdi in Lübeck einen Namen gemacht: Nachdem er beim Boxclub die gesamte Jugendsparte neu aufstellte und auch eine Frauengruppe integrierte, folgte 2007 die Ernennung zum 1. Vorsitzenden. Als Meilenstein erwies sich der von Tanriverdi vorangetriebene Hallenumbau: „Danach sind uns die Kinder und Jugendlichen fast die Türen eingerannt.“

„Wir stehen unseren Schützlingen zur Seite“

Der „boxende Bäcker“, wie ihn die LN aufgrund seiner anfänglichen Mitarbeit in der elterlichen Bäckerei taufte, wollte seinen Schützlingen aber mehr bieten als nur das klassische Boxtraining. Tanriverdi (Foto re.) verschrieb sich der Jugendarbeit und setzt heute gemeinsam mit seinem Trainerteam auf pädagogische und integrative Hilfsangebote. „Wir haben viele Kinder aus sozial schwachen Familien, die diese Angebote dankbar annehmen“, berichtet Tanriverdi. „Die Zeit während des Lockdowns hat gezeigt, wie wichtig unsere Betreuung ist.“ Die Kinder bekamen nicht nur altersgerechte Trainingspläne zugeschickt, sondern erhielten auch Hausaufgabenhilfe. „Wir haben uns mit den Kindern via WhatsApp und Zoom ausgetauscht. Diktate, Rechenaufgaben, Erdkunde, Biologie oder auch Englisch gehörten zum Tagesprogramm“, so Tanriverdi. „Uns ist es wichtig, den Kindern und Jugendlichen durchgehend zur Seite zu stehen.“

Kostenlose Ferienfreizeit für alle

Neben all der pädagogischen Unterstützung darf aber auch der Spaß nicht zu kurz kommen. Für die Sommerferien wurde eine kostenlose Ferienfreizeit für insgesamt über 100 Kinder und Jugendliche auf die Beine gestellt, die mithilfe von Sponsoren und Stiftungen finanziert wurde. „Viele Kinder sind noch nie verreist und können sich auch keinen Urlaub leisten. Wir fangen sie auf und unternehmen mit ihnen gemeinsam viele tolle Ausflüge. So hat jeder nach den Ferien etwas Spannendes zu erzählen.“ In diesem Jahr standen schon Freibad- und Zoobesuche, Fußballspielen und nette Grillabende auf dem Programm. Ein Museumsbesuch nach Berlin ist geplant. „Wir erarbeiten für all unsere Ausflüge ein pädagogisches Konzept“, betont Tanriverdi. „Zudem betreiben wir auch Rassismusprävention im Boxclub. Unsere Trainerin Annemarie und ich bieten Workshops zu diesem wichtigen Thema an.“

Hilfe bei der Ausbildungsplatzsuche

Erfolgsgeschichten wie die von Marco motivieren Tolga jeden Tag aufs Neue. Der 23-jährige Peruaner absolvierte sein FSJ beim Boxclub und ist nun sogar als Auszubildender in der Bäckerei der Eltern untergekommen. „Wir vermitteln im Durchschnitt ca. zehn Ausbildungsplätze pro Jahr“, so Tanriverdi. „Wir analysieren gemeinsam mit unseren Jugendlichen ihre Stärken und Interessensgebiete und schauen, in welche Branchen sie gut reinpassen könnten. Dabei unterstützt uns auch unser Vereinsnetzwerk aus Sponsoren und Förderern.“ Die enge Bindung zu seinen Schützlingen basiert auf einem vertrauensvollen Miteinander und den Werten des Boxsports: „Als Trainer baut man ein sehr enges Verhältnis zu den Kindern auf. Generell kommen bei uns alle gut miteinander klar und es sind schon viele Freundschaften entstanden. Mir ist es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen fair miteinander umgehen. Außerdem erwarte ich Ehrlichkeit, Respekt, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein.“

Endlich wieder Boxtraining

Nach der Corona-bedingten Zwangspause ist inzwischen auch wieder das Boxtraining angelaufen. „Die Kinder und Jugendlichen konnten den Start gar nicht mehr abwarten. Sie sind beim ersten Training förmlich durchgedreht“, erzählt Tanriverdi schmunzelnd. Aktuell wird mit bis zu 20 Personen trainiert. Es gilt erst einmal, die konditionellen Rückstände wieder aufzuholen. Dafür werden u.a. die Fitnessgeräte genutzt, die von der Gemeinnützigen Sparkassenstiftung finanziert worden sind.

Für die Zukunft hat Tolga Tanriverdi große Pläne. Er möchte den Boxclub Lübeck zu einer Kinder- und Jugendschutzeinrichtung erweitern: „Derzeit befinden sich mehrere Trainer in der Ausbildung, wir wollen noch professioneller werden. Auch das Vereinsgebäude soll baulich erweitert werden. Ich möchte noch mehr Kinder und Jugendliche erreichen.“

Wir wünschen Tolga und dem Boxclub Lübeck e.V. viel Erfolg und freuen uns auf die Zukunft!

Fotos: ©AMK Sport- und Eventfotos/ Tolga Tanriverdi