Flugstunde mit Herz

„Julia, breiter! Du musst dich breiter machen! Und nimm die Hände mit!“, schallt es über den Krummesser Sportplatz. Und nur Sekundenbruchteile später fliegt die Zehnjährige durch die Luft, als habe sie in ihrem Leben nie etwas Anderes gemacht.

Julia (Foto li.) ist eines von 20 ambitionierten Torwarttalenten, die der 45-jährige Sascha Knott regelmäßig im Rahmen seiner von uns geförderten Torwartschule trainiert. Ihm gehört auch die markante Stimme, mit der er seine Schützlinge regelmäßig zu Höchstleistungen treibt. Denn: Sascha weiß um den Bedarf an gut ausgebildeten Torhüterinnen und Torhütern. In vielen Vereinen gebe es heutzutage keine Torwarttrainer mehr, die Position werde sich selbst überlassen.

 

Sportplatz statt Couch
Im Gespräch mit Sascha (Foto re.) merkt man schnell, wie sehr er seine derzeitige Tätigkeit liebt und dass es ihm dabei keineswegs nur um Fußball geht. Der ehemalige kaufmännische Angestellte wurde 2014 von einem zweiten Bandscheibenvorfall buchstäblich in die Knie gezwungen, die Frühverrentung war die Konsequenz. Doch Sascha, der einige Jahre zuvor schon damit begonnen hatte, Jugendmannschaften und speziell Torhüter für den SC Buntekuh zu trainieren, suchte aktiv nach einer neuen Lebensaufgabe und fand sie in der Gründung seiner Torwartschule: „Die Kinder und Jugendlichen geben mir sehr viel zurück und haben mich schon aus so manchem persönlichen Tief rausgeholt. Sie sind wohl auch der Grund dafür, dass ich nicht zuhause auf der Couch liege.“

Die Couch hat Sascha längst gegen den Sportplatz eingetauscht. Bis zu sechs Mal die Woche gibt der passionierte Ex-Keeper, der 35 Jahre selbst im Tor gestanden hat und auch für den VfB Lübeck aktiv gewesen ist, seine Leidenschaft und sein Wissen an 20 Lübecker Torhüter und Torhüterinnen im Alter von sieben bis 30 Jahren weiter. Eines ist ihm dabei besonders wichtig: „Es sollte nicht immer nur um Leistung gehen. Alter, Geschlecht und Leistungsstand sind für mich irrelevant. Wenn ich sehe, dass jemand für die Torhüterposition brennt – ganz gleich, ob er für den FC Schönberg, Fortuna St. Jürgen, den FC Dornbreite, den ESV Hansa oder den VfB Lübeck spielt – nehme ich ihn auf und helfe ihm dabei, seine Ziele erreichen.“ Ziele, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und zeigen, dass Sascha auch die Persönlichkeitsentwicklung seiner Schützlinge am Herzen liegt.

Persönlichkeitsentwicklung als oberstes Ziel
Da gibt es zum Beispiel den 7-jährigen Matthis (Foto), der noch ganz am Anfang seiner Karriere steht, oder den 12-jährigen Max, der aufgrund eines genetischen Defekts an einem Muskelaufbaudefizit leidet und „den keiner so richtig trainieren wollte“. Sascha aber erkannte den großen Willen des Jungen, der trotz Schmerzen nie eine Miene verzog und „mindestens genauso hart trainierte wie alle Anderen“. Mittlerweile tritt Max deutlich selbstbewusster auf, ist total begeistert vom Torwart-Dasein und würde am liebsten jeden Tag zum Torwarttraining gehen. Ganz ähnlich ergeht es auch dem 11-jährigen Emil, den Sascha als „eher gemütlich“ beschreibt. Emil sei zu Anfang untröstlich gewesen, da er bei seinem Heimatverein nie gespielt habe. Ein Umstand, der sich mit Saschas Hilfe ändern sollte. Mittlerweile ist Emil Stammtorhüter und kaum mehr wiederzuerkennen: Der Kopf ist oben, die Brust weit rausgestreckt. Eine Entwicklung, die auch die Jugendlichen Lasse (14) und Dominik (15) durchgemacht haben. Beide Nachwuchstalente sind bereits beim TSV Eintracht Groß Grönnau gezielt von Sascha auf den Leistungsbereich vorbereitet worden, sodass der Sprung zum VfB Lübeck gelang. Ein Engagement von Lasse beim großen HSV scheiterte erst in letzter Sekunde.

Weiter, immer weiter
Doch ganz gleich welches Ziel jeder Einzelne verfolgt – er oder sie soll wissen, dass Sascha jederzeit für seine Schützlinge da ist. So gibt Lasse (Foto re.) beispielsweise zu bedenken: „Als Torwart muss man schon ein bisschen verrückt sein. Du kannst mit einer Aktion das Spiel entscheiden, im positiven wie im negativen Sinne. Und selbst wenn der gegnerische Stürmer zehn deiner Teamkollegen ausgetanzt hat, bist zumeist du schuld am Gegentor. Danach ist der psychische Druck schon immens.“ Momente, in denen er Sascha anrufen und mit ihm über die Situation reden kann. Danach stehe wieder fest: „Ich werde weitermachen. Und ich werde es besser machen!“

Auch aufgrund dieses Vertrauensverhältnisses hat Sascha Lasse für eine Torwarttrainerausbildung gewinnen können. Der Schüler trainiert nun selbst jeden Dienstag vier bis fünf Torhüter und kann so erste Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln. Langfristig könne sich Sascha dann, so seine eigene Überlegung, etwas zurückziehen und Lasse oder auch anderen jungen Leuten das Zepter in die Hand geben. Für die Zukunft dieses tollen Projekts ist also gesorgt.